
1. Dezember
Ida öffnet die Tür. Sie ist 8 Jahre alt, schwarze trockne Haut, vielleicht Neurodermitis. Sie hat zwei Adventskalender. Einen mit Schokolade und einen mit Lego. Das Bild von der Ritterburg an der Tür hat sie selbst gemalt. Dann schauen wir uns gegenseitig an und sagen nichts.

2. Dezember
Die Tür vom Kiosk 2 ist offen. Zwei Jungs bezahlen darin ein Bier bei der Besitzerin. Sie hat blond gefärbte Haaren, schwarz geschminkte Augen und sonnenbankbraune Haut. Ausser ihr im Kiosk: Briefkuverts zwischen Pringelspackungen und Holzkohle. Drei Kühlschränke voll mit Getränken, Computer die zum Internetsurf einladen, ein Kaffeeautomat, eine Mikrowelle, Knallerbsen, Sauerkraut, Schokolade, Tabak. Alles im Neonlicht. Türkische Musik kommt aus den Boxen neben dem Bildschirm über der Kasse. Davor die Eistruhe.

4. Dezember
Keiner öffnet die Tür.
Am Tag zuvor finde ich raus, dass die ungeraden Hausnummern von Teichstr. 3 - Teichstr. 13 gar nicht existieren. Anstelle dessen ist dort ein Parkplatz.

6. Dezember
Licht scheint durch die Jalousie. Ich höre Geräusche im Treppenhaus als ich klingele. Die Tür bleibt verschlossen.

8. Dezember
Das Haus ist dunkel, an der Tür hängt ein Kranz. Keiner öffnet die Tür.

10.Dezember
Nach dem Ausbleiben einer Reaktion auf mein Klingeln am untersten Klingelknopf, klingele ich an allen Klingelknöpfen darüber. Die Tür summt und ich drücke sie auf. Ich gehe die Treppen nach oben. Eine junge Frau mit blonden Haaren weicht wieder in ihre Wohnung zurück. Ein Stockwerk weiter oben steht ein junger Mann mit blonden kurzen Haaren in seinem Türrahmen. Die Wohnungstür hat er hinter sich fast zugezogen. Daneben lugt eine ältere Dame mit weißem Haar mit dem Kopf durch den Türspalt. Ich erzähle beiden, dass sie mein 10. Türchen sind. Die Dame sagt, sie habe nichts an. Als ich die Treppen nach unten gehe höre ich wie sich erst die Wohnungstüren schließen und dann wieder öffnen. Dann sagt die ältere Dame zu dem Mann empört: "Das habe ich ja noch nie erlebt sowas!" Der Mann lacht daraufhin.

14. Dezember
Jenny streckt ihren Kopf aus der Tür. Blond gefärbte Haare, schwarz geschminkte Augen. Sie scheint in Eile zu sein und fragt mich: "Kann ich sonst noch was für dich tun?"

15. Dezember
Ein Mann mit grauer Hose, grauem Hemd, einer Art Arbeitskleidung öffnet mir die Tür. Er sagt, er ist noch am arbeiten. Ich frage, ob er erst eingezogen ist. Nein, er wohne schon länger hier. Hinter ihm bellt ein Hund laut. Der Hund heißt Mogli, weil er so schlacksige Beine hat wie Mogli aus dem Dschungelbuch. Der Mann erzählt mir, dass er schon von Nachbarn von meinem Adventskalender gehört hat.

16. Dezember
Als ich klingele schaut eine türkische Frau oben aus dem Fenster und lädt mich ein reinzukommen. Ihr Sohn mit kurzen, schwarzen Haaren kommt die Treppe herunter und öffnet mir die Tür. Ich folge ihm durchs Treppenhause hoch in ihre Wohnung. In der Stube ist die Tochter gerade am Backen von Keksen. Sie bieten mir einen Stuhl, Wasser und einen Teller mit zwei der frischgebackenen Keksen und Börek an. Die Frau erzählt mir, dass sie von den Zeugen Jehovas ist. Wir reden über Religion. Das wir doch alle Menschen sind und uns tatsächlich nur in Wenigem unterscheiden. Zum Abschied packt sie mir Kekse und Börek ein.

17.Dezember
Bevor die Tür aufgeht höre ich, wie eine Frau mit Tieren redet. Sie sollen weggehen. Dann öffnet mir Anna, kräftig in ihrer Statur, mit Brille, graubraunen halblangen Haaren, die Tür. Sie hat zwei Katzen.

18. Dezember
MIr öffnet Ariane mit blond gefärbten Haaren zum Zopf gebunden, brauner Haut, und Telefon in der Hand. Sie sagt, ach das ist ja schön. Sie freut sich in meinem Türchen zu sein. Ich soll einen Moment warten. Sie verschwindet in ihrer Wohnung. Als sie wieder an die Tür kommt drückt sie mir einen Schokoladennikolaus in die Hand. Wir lachen beide.
Die Türchen bis zum 24. öffne ich nicht, weil ich am 18. zu meiner Familie reise.
Meine Straße ist mein Adventskalender.
Heute ist der 1. Dezember 2015.
Ich klingele an der Teichstraße 1 um mein erstes Türchen zu öffnen.
Konzept
Tina Klopp
Performance
katharinajej