Am 14. Juni 2014 findet auf der Lothringerstraße das Lothringairfestival in Aachen statt. katharinajej hängt eine Hängematte zwischen einer Ampel und einem Verkehrsschild am Ende der Lothringerstraße auf. Menschen passieren, Autos rasen vorbei. Vor der Hängematte steht ein Schild: "Geselle dich zu mir für einen Moment von Himmel." katharinajej liegt in der Hängematte und wartet auf ihre Gäste.
Ein Mann legt sich zu mir. So um die 40 Jahre alt. Rot kariertes Hemd, Jeans, weiße Baskenmütze, die aber in dem Moment, als er seinen Kopf in der Hängematte ablegt, herunterfällt. Er riecht nach Alkohol. Wir sind auf einmal ganz nah. Unsere Körper schmiegen sich aneinander. Die Hängematte lässt nichts anderes zu. Er erzählt mir von seiner Dachterrasse, auf die er Freunde einlädt und ihnen sagt: Hier gibt es keine Musik und nichts zu essen. Kommt einfach und guckt mit mir in den Himmel. Er wird bald das erste Mal fliegen und findet eigentlich die Vorstellung komisch in einer Röhre im Himmel zu sein und Kondensstreifen hinter sich zu lassen. Er freut sich, die Wolken über uns zu sehen und kein Azurblau, weil er Wolken viel schöner und abwechslungsreicher findet. Sein Freund taucht vor der Hängematte auf und giebt ihm den Anlass, sich zu verabschieden. Er will mich küssen, ich aber gebe ihm meine Hand, sodass er meine Hand küssen kann.
Eine Frau legt sich zu mir. Blaue Augen und eine weiß bestickte Bluse. Mittleres Alter. Ihre Freundin ist zur Sparkasse Geld abheben gegangen. Schwupps liegt sie in meinem Arm. Sie erzählt mir, dass sie in einem Vorort von Aachen wohnt und davon träumt, in ihrem Garten eine Hängematte aufzuhängen. Nur die Bäume fehlen ihr dafür. Daher genießt sie es jetzt um so mehr. Dann werden wir beide still. Sie weiß nicht mehr, was sie erzählen soll. Ich auch nicht. Als ihre Freundin zurück vom Geldabheben kommt, krabbelt sie wieder aus der Hängematte.
Ein Mann Mitte vierzig mit Brille stellt sich neben meine Hängematte. Dort bleibt er vorerst und meint, er würde sich schon zu mir legen, aber er ist gerade nicht in der Stimmung. Dann fragt er, ob er sich mit seinem Hund zu mir legen darf. Ich willige ein. Sein Hund ist ein mexikanischer Nacktwindhund. Wegen ihm sollen wir nicht zu heftig schaukeln. Früher hat diese Hunderasse den Menschen den Weg nach dem Tod gezeigt. Sein Hund darf auch bei ihm im Bett schlafen. Er wird gleich noch einkaufen gehen. Für ihn ein Bier und Essen für den Hund. Um dem Hund später noch etwas aus Fleisch, Möhren und Zwiebeln zu kochen.
Im Rahmen des Interacting Day des City Leaks Festivals, das im September in Köln Altstadt Nord stattfindet, hängt katharinajej am 8. September 2017 eine Hängematte zwischen S-Bahnpfeiler und Straßenlaterne des Bahnhofs Hansaring auf. Menschen hasten zur S und U-Bahn, Autos rasen vorbei. Der Himmel ist grau. Der Boden vom Regen getränkt. Vor der Hängematte steht ein Schild: "Geselle dich zu mir für einen Moment der Rast." katharinajej liegt in der Hängematte und wartet auf ihre Gäste.
Nach einer Weile allein in der Hängematte, kommt eine junge Frau, knapp über 20 Jahren, mit rot gefärbten Haaren zum Zopf gebunden, direkt auf mich zu. Sie sagt, sie hat gerade ihren Bus verpasst und hat jetzt Lust, sich zu mir zu legen. Als sie neben mir liegt, erzählt sie, dass sie selten in der Hängematte ist. Ihre Wohnung hat keinen Balkon. Die Möglichkeit rauszugehen, geht ihr ab. Es ist kalt, doch ihr Körper wärmt den meinen, weil wir so eng zusammenliegen. Wir hängen unter dem Dach des Bahnhofs. Vor Regen geschützt. Sie wartet auf gutes Wetter für ihren Fallschirmsprung. Der wurde aufgeschoben. Ich bewundere Ihren Mut. Sie möchte mal wieder etwas Herausragendes in ihrem Leben machen. Dann fällt ihr der Bus wieder ein. Sie möchte schauen, ob er nicht bald kommt und verabschiedet sich.
Ein Mann im mittleren Alter mit grauer Kappe und schwarzer Lederjacke legt sich zu mir. Er betrachtet die weißen Lamellen über uns und bemerkt, dass einige fehlen. Er stellt sich vor, wie viele Taubenjungen dort schon zur Welt gekommen sind. Er kommt gerade von einer Probe, in der er versuchte clownesk einen Liegestuhl aufzuklappen. Er probte am eigenen Unvermögen. Während er erzählt, spüre ich die Vibration seiner Stimme in seiner Brust. Gleichzeitig schubst er die Hängematte ganz leicht mit seinem Fuß an, sodass wir sanft hin und her wiegen. Wir werden ruhig. Ihn erinnert das angenehme Wiegen an einen Bondageworkshop, bei dem er gefesselt an einem Baum hing. Ein zweiter Mann mit lila Pulli legt sich zu uns in die Hängematte. Sie hält uns auch zu dritt. Ich bin von zwei Seiten gewärmt.
Die Bilder sind von rwinter.
Am 9. August 2023 liegt katharinajej in der Hängematte, mitten in der Fußgängerzone neben dem Dom in Braunschweig. Vor der Hängematte steht ein Schild: "Geselle dich zu mir für einen Moment des Nichtstuns". Die Sonne strahlt, versteckt sich hinter ein paar Wolken, kommt wieder raus. Der Wind weht sanft. katharinajej wartet auf ihre Gäste.
Ein älterer Mann mit grünem Polohemd und lederner Tasche kommt auf mich zu. Als ich ihn einlade, legt er sich wie selbstverständlich zu mir in die Hängematte. Unsere Köpfe ruhen an den Enden der Hängematte. Meine Füße und Unterschenkel liegen unter seinen Beinen. Er erzählt mir von den vier Monaten, die er sich vornahm, nichts zu tun, sobald seine Rente begann. Niemand glaubte ihm, dass er das könne. Er würde in ein Loch fallen oder es nicht aushalten, meinte sein Umfeld. Zuvor arbeitete er sein Leben lang viel. 50 Stunden in der Woche. Er war im Vorstand tätig. Nur zweimal zwei Wochen Urlaub machte er im Jahr. Die vier Monate konnte er aber sehr gut nichts tun. Er ruhte sich im Garten aus oder ging nachmittags Kaffee trinken. Nicht mal ein Buch rührte er an...
Eine ältere Frau mit langen graubraunen Haaren und blauem Kleid kommt schnurstracks auf mich zu. Ja, sie möchte sich gerne zu mir legen. Ich freue mich auf ihren Besuch. Sie braucht das gar nicht, das Nichtstun. Sie liebt die Beschäftigung. Sie unterrichtet, obwohl sie schon in Rente ist, Mathematik und Französisch und sie geht tanzen: Squaredance, Linedance und Steppen. Die Schulferien sind für sie schrecklich, wenn ihre Schüler verreist sind und die Tanzkurse pausieren. Dann strickt sie zu Hause oder beschäftigt sich anderweitig. Ihr geht es gut damit. Andere denken, dass sie im Stress wäre oder deprimiert, aber sie liebt das Tätigsein. Sie findet Nichtstun eher asozial. Weil man dann nichts zum Leben der anderen beiträgt. Sie möchte anderen etwas geben.
Ein großer älterer Mann mit beiger Hose, einem grauen Jackett und Halbglatze legt sich zu mir in die Hängematte. Er liebt es, nichts zu tun. Er könnte das den ganzen Tag praktizieren. Aber seine Rente ist zu gering für ihn und seine Frau, sodass er weiterhin arbeitet. Wenn er nichts tut, dann schaut er in den Himmel. Er beobachtet die Vögel. Wie wir jetzt gerade. Wir sehen Krähen, die sich im Winde drehen. Er meint, das machen die Krähen einfach aus Spaß. Das hat er auch schon bei Raben beobachtet. Der Wind wird stärker. Er zeigt auf die Blätter des Baumes. Er mag es, wie der Wind durch die Blätter rauscht. Dann beginnen die Glocken des Doms zu schlagen. Das Läuten nimmt uns vollkommen ein. Wir werden still und lauschen. Ich nehme nur noch die Atembewegungen seines Bauches wahr, der eng an meinem liegt. Ich schließe die Augen. Ich fühle meine Unsicherheit. Wie geht es jetzt weiter? Reicht es, wenn ich einfach nur so neben ihm liege, ohne etwas zu tun oder zu sagen?
Die schriftliche Dokumentation der Performance ist vom 25. bis 27. August 2023 auf dem "Festival unter freiem Himmel" zum Thema "New Work/Good Work/Anti-Work – Große Chance oder große Verweigerung?" zu sehen. Veranstaltungsort ist das Außengelände des Kunstverein DIE H_LLE am Hauptgüterbahnhof 22A in 38126 Braunschweig.
Die Bilder sind von Lucie Mercadal.